BGH bejaht Störerhaftung der DENIC eG in Fällen eindeutig missbräuchlicher Domainregistrierungen (regierung-oberbayern.de u.a.)

Der Bundesgerichtshof hatte am 27.10.2011 erneut über die Frage zu entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die DENIC eG als Vergabestelle für Domainnamen unter der ccTLD „.de“ als Störerin in Anspruch genommen werden kann (Urteil vom 27. Oktober 2011, Az.: I ZR 131/10 – regierung-oberfranken.de).

Die Entscheidung knüpft an die Entscheidung in Sachen ambiente.de (BGH vom 17.05.2001, Az.: I ZR 251/99) an, mit der der BGH schon vor mehr als 10 Jahren entschieden hatte, dass eine Haftung der DENIC eG als Störerin in Betracht kommt, wenn diese von einem Dritten darauf hingewiesen wurde, dass ein registrierter Domainname nach Ansicht dieses Dritten ein ihm zustehendes Kennzeichenrecht verletzt, und wenn die Rechtsverletzung offenkundig und für die DENIC ohne weiteres feststellbar ist. In den weiteren Ausführungen stellte der BGH fest, dass die DENIC eG einen Rechtsverstoß dann unschwer erkennen kann,

wenn ihr ein rechtskräftiger gerichtlicher Titel vorliegt oder wenn die Rechtsverletzung derart eindeutig ist, daß sie sich ihr aufdrängen muß.

Der Bundesgerichtshof bestätigte diese Rechtsprechung und entschied erneut, dass die DENIC gehalten ist, eine Domainregistrierung zu löschen, wenn sie auf eine mögliche Rechtsverletzung hingewiesen wurde und die Rechtsverletzung offenkundig und für sie ohne weiteres feststellbar ist.

Im aktuellen Fall ging es um die vier Domainnamen „regierung-mittelfranken.de“, „regierung-oberfranken.de“, „regierung-unterfranken.de“ und „regierung-oberpfalz.de“, die sämtlich auf Firmen mit Sitz in Panama registriert waren. Der Freistaat Bayern als Kläger hatte zunächst den Admin-C, der für diese Domainnamen sowie die weiteren Domainnamen „regierung-niederbayern.de“ und „regierung-oberbayern.de“ eingetragen war, auf Unterlassung in Anspruch genommen und gegen diesen ein Versäumnisurteil erwirkt. Nachdem dieses gegen den Admin-C nicht vollstreckt werden konnte, wendete sich der Kläger an die DENIC eG und forderte diese zur Aufhebung der Domainregistrierungen auf, was von der DENIC eG verweigert wurde. Es folgte die klageweise Inanspruchnahme der DENIC eG auf Aufhebung der Domainnamen „regierung-mittelfranken.de“, „regierung-oberfranken.de“, „regierung-unterfranken.de“ und „regierung-oberpfalz.de“, die Domainnamen „regierung-niederbayern.de“ und „regierung-oberbayern.de“ waren zwischenzeitlich bereits gelöscht worden.

Das Landgericht Frankfurt (Urteil vom 16.11.2009, Az.: 2-21 O 139/09) gab der Klage statt und verpflichtete die DENIC eG zur Aufhebung der Domainregistrierungen. Es ging davon aus, dass es sich im vorliegenden Fall um ganz offenkundige Eingriffe in die Rechte des Klägers Dritter handelt:

Die Bezeichnungen der hier fraglichen Gebietskörperschaften und ihre Beschreibung als Regierungsbezirke des Klägers stellt einen eindeutigen und einmaligen Vorgang dar, bei dem schon dem Ansatz nach nicht erkannt werden kann, aus welchem Grunde eine anderweitige Verwendung durch Dritte in sinnvoller Weise überhaupt nur in Betracht gezogen werden müsste. […] Die Verwendung der hier streitgegenständlichen Begriffe außerhalb ihrer „Bezugsobjekte“ und im Rahmen in der damit einhergehenden öffentlich-rechtlichen Verwaltung ist schlicht und ergreifend sinnlos. Der Hinweis darauf, dass es durchaus vergleichbare Beschreibungen, etwa im Bereich der Gastronomie, und damit eine der Überprüfung durch die Beklagte nicht zugänglichen Parallelnutzung geben könnte, wird nach Auffassung des Gerichts jedenfalls auch im vorliegenden Fall durch den jeweiligen Sitz des Inhabers und den Umstand, dass es nicht um eine einzige, sondern wie der Kläger insoweit unbestritten vorgetragen hat, wiederholte und umfassende Nutzung dieser Bezeichnungen geht, derart nachhaltig entkräftet, dass jeder vernünftige Zweifel schweigen muss. Vor diesem Hintergrund besteht jedenfalls im vorliegenden Fall keinerlei Zweifel daran, dass eine offensichtlich unzulässige Nutzung der fraglich Bezeichnungen durch den bislang registrierten Inhaber erfolgt.

Das Gericht äußerte darüber hinaus eindeutige Kritik an der Vorgehensweise der DENIC eG:

Es ist dabei insgesamt und für den vorliegenden Fall auch festzuhalten, dass die Verhaltensweise der Beklagten in einigen Teilbereichen auch während des Prozessverlauf nicht vollständig nachvollziehbar ist.

Die DENIC eG ging gegen dieses Urteil in Berufung, die vom OLG Frankfurt (Urteil vom 17.06.2010, Az.: 16 U 239/09) zurückgewiesen wurde. Dabei ging das Gericht im vorliegenden Fall ebenfalls von einer eindeutigen, sich aufdrängenden und damit offenkundigen Namensrechtsverletzung aus, stellte jedoch explizit fest, dass es davon ausgehe, dass die Vorlage eines rechtskräftigen Urteils gegen einen Admin-C alleine für die Begründung der Störerhaftung der DENIC eG nicht ausreiche.

Der Begründung des Urteils des BGH darf mit Interesse entgegen gesehen werden. Soweit sich der BGH mit der Offensichtlichkeit einer Verletzung befasst, dürfte es sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung handeln, die nicht ohne Weiteres verallgemeinert werden kann. Fraglich ist jedoch, ob der BGH auch die Vorlage eines rechtskräftigen Urteils gegen einen Admin-C als ausreichend ansieht, um die Störerhaftung zu begründen. Insoweit sind die Ausführungen der Berufungsinstanz nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, die unter anderem darauf abstellte, dass das gegen den Admin‑C erlangte Urteil nicht für und gegen den Domaininhaber wirkt. Die Offenkundigkeit einer Rechtsverletzung ergibt sich für die DENIC eG jedoch auch aus einem rechtskräftigen Urteil gegen einen Admin-C.

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