BGH bejaht Haftung von Domain-Registraren für rechtsverletzende Inhalte

  1. April 2021/0 Kommentare/in Domainrecht/von Peter Müller

Der BGH hat mit Urteil vom 15.10.2020 (Az.: I ZR 13/19) entschieden, dass Domain-Registrare unter engen Voraussetzungen entsprechend den Grundsätzen der Accessprovider-Haftung für Rechtsverstöße Dritter haften können, die auf von ihnen registrierten Internetseiten begangen werden.

Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin ist Herstellerin von Tonträgern sowie Inhaberin von ausschließlichen Verwertungsrechten eines Musikalbums eines bekannten Künstlers. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Domain-Registrar für die Top-Level-Domain „.com“. Unter einer von der Beklagten für ein Unternehmen mit Sitz auf den Seychellen registrierten Domain war es im Wege des Filesharing möglich, ein Musikalbum, an dem die Klägerin die ausschließlichen Verwertungsrechte besitzt, illegal herunterzuladen. Einen Hinweis der Klägerin auf die Rechtsverletzung sowie die Aufforderung, die Verletzung zu beenden reichte die Beklagte unter anderem an den Registranten weiter, hielt die Konnektierung der Internetsite aber weiterhin aufrecht. Da die Verletzungshandlung nicht abgestellt wurde, folgten eine Abmahnung, eine einstweilige Verfügung sowie ein Hauptsacheverfahren. Das Hauptsacheverfahren wurde in erster und zweiter Instanz zu Gunsten der Klägerin entschieden. Die hiergegen vor gerichtete Revision der Beklagten zum BGH hatte Erfolg.
Keine Täterhaftung

Zunächst stellt der BGH in oben genannter Entscheidung fest, dass eine Täter- oder Teilnehmerhaftung von Registraren ausscheidet, weil diese die rechtsverletzenden Handlungen weder selbst begehen noch als Gehilfen mitwirken.
Störerhaftung

Jedoch ist nach Ansicht des BGH eine Störerhaftung von Domain-Registraren grundsätzlich möglich, wenn auch nur unter engen Voraussetzungen.
Verschiedene Haftungsmaßstäbe

Zunächst verweist der BGH in seiner Entscheidung auf die verschiedenen Haftungsmaßstäbe für rechtsverletzende Inhalte im Internet, die sich jeweils aus der Funktion sowie der Tätigkeit des Inanspruchgenommenen ausgestalten.

Mit Blick auf ihre Funktion und Aufgabenstellung sowie unter Berücksichtigung der Eigenverantwortung des Anmelders trifft die DENIC eG grundsätzlich keine Haftung für Rechtsverletzungen. Hintergrund ist, dass anderenfalls eine Gefahr für die im Interesse aller Internetnutzer stehende Tätigkeit der DENIC eG, nämlich das ohne Gewinnerzielungsabsicht zur Verfügung gestellte schnelle, einfache und günstige Registrierungsverfahren für Domainnamen unter der ccTLD „.de“, gefährdet werden könnte. Selbst nach einem Hinweis auf eine Rechtsverletzung trifft die DENIC eG aus vorstehenden Gründen keine Prüfpflicht. Vielmehr kann sie den hinweisenden Rechteinhaber auf den Domaininhaber verweisen. Eine Registrierung muss von der DENIC eG nur dann aufgehoben werden, wenn die DENIC die Rechtsverletzung auf den ersten Blick ohne weiteres – insbesondere ohne die Anstellung von Nachforschungen – feststellen kann.

Ein Admin-C nimmt grundsätzlich an der Haftungsprivilegierung der DENIC eG teil, weil er nur administrative Tätigkeiten ausübt. Eine darüberhinausgehende Verhaltenspflicht kann sich beim Admin-C allerdings aufgrund von sonstigen gefahrerhöhenden Umständen sowie aus dem Umstand, dass dieser im Gegensatz zur DENIC eG finanzielle Interesse verfolgt, ergeben.

Hostprovider hingegen haften nach der Rechtsprechung des BGH als Störer für rechtswidrige Inhalte auf den von ihnen gehosteten Seiten, wenn sie nach einem Hinweis auf die Rechtsverletzung untätig bleiben.

Bei Accessprovidern entsteht eine Prüf- oder Überwachungspflicht erst nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung. Weiter erfordert die Haftung des Zugangsvermittlers, dass die Sperrung der beanstandeten Internetseite hinsichtlich der dort verfügbaren legalen Inhalte verhältnismäßig ist sowie, dass der Rechteinhaber zuvor erfolglos gegen den vorrangig Verantwortlichen vorgegangen ist.
Haftung des Domain-Registrars

Nachdem sich der BGH intensiv mit den vorstehend dargestellten verschiedenen Haftungsmaßstäben auseinandergesetzt hat, kommt er zu der Entscheidung, dass die Stellung bzw. Tätigkeit von Domain-Registraren mit der Stellung von Accessprovidern vergleichbar ist. Daher gilt nach Sicht des BGH für Domain-Registrare ein entsprechender Haftungsmaßstab. Der BGH hat hierzu ausgeführt:

Die Annahme anlassloser allgemeiner Prüf- und Überwachungspflichten des Registrars kommt danach nicht in Betracht. Die Störerhaftung des Registrars setzt vielmehr ebenfalls voraus, dass er auf eine klare und ohne weiteres feststellbare Rechtsverletzung hingewiesen wird. Dem Registrar, der – anders als die DENIC – mit Gewinnerzielungsabsicht tätig wird, ist es unter den auch für den Internetzugangsvermittler geltenden Voraussetzungen zumutbar, einem solchen Hinweis nachzugehen und im Falle einer Verletzung seiner Prüfpflicht als Störer zu haften.

Weiter berücksichtigt der BGH, dass der Domain-Registrar regelmäßig keine Kenntnis vom Inhalt der jeweiligen Internetseite hat und eine Überprüfung des gesamten Seiteninhalts meistens einen erheblichen Aufwand mit sich bringt. Der sich hieraus ergebenden unverhältnismäßigen Belastung des Registrars sowie der Gefährdung seines grundsätzlich redlichen Geschäftsmodells wird der BGH dadurch gerecht, dass dieser nur subsidiär haftet. Die subsidiäre Haftung tritt demnach erst dann ein, wenn sich der Rechteinhaber zuerst erfolglos an den Seitenbetreiber gewandt hat.

Die Haftung des Registrars ist ebenso wie diejenige des Internetzugangsvermittlers ultima ratio, wenn auf andere Weise der Urheberrechtschutz nicht effektiv sichergestellt werden kann.

Da die Dekonnektierung einer Domain zur Folge hat, dass auch alle legalen Inhalte für sämtliche Internetnutzer nicht mehr abrufbar sind, setzt eine Störerhaftung des Domain-Registrars weiter voraus, dass die unter der Domain abrufbaren Inhalte weit überwiegend illegal sein müssen.
Die Haftung auslösender Hinweis

In Bezug auf den die Haftung auslösenden Hinweis an den Domain-Registrar hat der BGH folgende Anforderungen gestellt:

Aus dem vom Rechtsinhaber erteilten Hinweis müssen sich die Umstände, die eine Prüf- oder Überwachungspflicht des Registrars auslösen können, hinreichend klar ergeben. Dies gilt nicht nur für die geltend gemachte Rechtsverletzung (dazu vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2011 – I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 28 – Stiftparfum), sondern auch für den Umstand, dass unter der beanstandeten Domain weit überwiegend rechtsverletzende Inhalte erreichbar sind. Zudem muss der Rechtsinhaber darlegen, dass er erfolglos gegen den Betreiber oder den Host-Provider der Domain vorgegangen ist oder dass einem solchen Vorgehen jede Erfolgsaussicht fehlt.

Ergebnis: Voraussetzungen der subsidiären Haftung des Domain-Registrars

  • Hinweis auf eine auf eine klare und ohne weiteres feststellbare Rechtsverletzung sowie Mitteilung, dass unter der Domain weit überwiegend rechtsverletzende Inhalte erreichbar sind sowie, dass erfolglos versucht wurde, den Betreiber oder Hostprovider der Domain in Anspruch zu nehmen.
  • Die unter der Domain abrufbaren Inhalte sind tatsächlich größtenteils illegal.
  • Der Rechteinhaber hat zuvor erfolglos versucht, den Betreiber der Internetseite in Anspruch zu nehmen.

(Ein Beitrag meines Kollegen RA David Horvath)

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